„Beobachtungen beim Sechstagerennen in Berlin (
Clemens trainiert
)“
von M.D. Weiser
Mein
eigenes
Interesse
für
diese
Veranstaltung
war
ursprünglich
nicht
so
groß
und
erfuhr
zufällig
erst
durch
einen
persönlichen
Umstand
eine
Steigerung.
Mein
jetziger
Aufenthaltsort
Münster
ist
auch
der
Wohnsitz
eines
bekannten
deutschen
Fliegers,
des
jungen
Klemens
Schürmann,
von
dem
alle
Freunde
des
Fliegersports
noch
Großes
erhoffen.
Nach
einer
erfolgreichen
Saison,
die
ihm
in
Deutschland
und
auch
in
Paris
und
Kopenhagen
eine
Reihe
schöner
Erfolge
beschert
hatte,
gab
er
sich
im
Winter
der
wohlverdienten
Ruhe
hin
und
besuchte
fleißig
die
Bauwerksschule.
Im
November
erhielt
er
plötzlich
von
der
Direktion
des
bevorstehenden
Sechstagerennens
eine
Aufforderung,
seine
Meldung
abzugeben.
Es
war
das
eine
große
Auszeichnung,
denn
während
Hunderte
von
Fahrern
die
Direktion
mit
ihren
Gesuchen
um
Zulassung
vergeblich
bestürmten,
hatte
er
keinen
Finger
dazu
gerührt.
Nachdem
seine
nicht
gerade
mäßige
Forderung
bewilligt
worden
war,
hieß
es
für ihn nun plötzlich von neuem und auf eine ganz neue Art zu trainieren.
Zunächst
galt
es,
die
kleine
winterliche
Polsterung,
die
sich
am
Körper
schon
bemerkbar
machte,
und
womöglich
auch
den
hinderlichen
„Jugendspeck“
schnell
zu
beseitigen.
Der
Flieger
über
die
kurze
Strecke
sollte
sich
möglichst
rasch
das
nötige
Stehvermögen
aneignen
und
„Sitzfleisch“
bekommen.
Als
bester
Weg
dazu
gilt
allgemein
das
Straßentraining.
Für
unsere
Flieger,
die
gewohnt
sind,
in
der
Hochsaison
höchsten
20
Minuten
täglich
auf
der
glatten
Bahn
herumzugondeln,
war
es
eine
harte
Nuß,
nun
plötzlich
im
November
und
Dezember,
wo
die
Tage
immer
kürzer
werden,
stundenlang
in
Dunkelheit
und
fußtiefem
Schlamm
herumzukutschieren.
Da
kam
es
dann
ganz
von
selbst,
daß
ich
Schürmann
diese
ungewohnte
Arbeit
etwas
erleichterte
und
zur
Gesellschaft
mitfuhr.
Uns
Straßenfahrern
sind
solche
ungemütlichen
Turen
ja
nicht
so
fremd;
auch
wollte
ich
gerne
einmal
beobachten,
wie
die
Größen
vom
Zement
wohl
mit
den
Beschwerden der Landstraße fertig werden.
Auf
der
Rennbahn
war
ich
nicht
imstande,
auch
nur
eine
Minute
lang
an
seinem
Hinterrade
zu
bleiben,
hier
auf
der
Straße
dagegen
war
fürs
erste
kein
Unterschied
zwischen
uns
zu
bemerken.
Höchstens
der,
daß
er
das
Straßentraining
schon
nach
10
Minuten
für
eine
sehr
anstrengende
und
ungemütliche
Plackerei
erklärte
und
sich
zuerst
gewaltig
nach
dem
glatten
Zement
zurücksehnte.
Es
ging
ihm
gerade
umgekehrt
wie
uns,
wenn
wir
auf
die
Rennbahn
kommen.
Bekanntlich
macht
jeder
Straßenfahrer
zuerst
die
Erfahrung,
daß
das
Rennbahnfahren
entsetzlich
schwer
ist.
Er
tritt
und
tritt
mit
Aufbietung
aller
Kräfte,
wird
puterrot
im
Gesicht,
aber
alle
Augenblicke
huschen
die
spindeldürren
Knäblein
hohnlächelnd
an
ihm
vorüber.
Die
französischen
Straßenfahrer
besuchen
daher
neben
dem
Straßentraining
auch
sehr
fleißig
die
Rennbahn,
und
auch
ich
halte
es
für
jeden
Straßenfahrer,
dem
eine
Bahn
zur
Verfügung
steht,
für
sehr
förderlich,
jede
Woche
einmal
1
bis
2
Stunden
lang auf dem Zement Tempo zu fahren.
So
kostete
auch
ich
alle
Freuden
und
Leiden
des
Sechstagetrainings
durch.
Schließlich
wurde
die
Straße
für
schnelles
Tempo
unpassierbar
und
wir
verlegten
unserer
Tätigkeit
auf
die
Münstersche
Rennbahn,
die
so
holprig
ist,
daß
sie
das
Straßentraining
nahezu
ersetzt.
Im
Innenraum
stand
das
Wasser
fußtief,
kalt
und
mit
Sprühregen untermischt pfiff der Dezembersturm über die öde Fläche, und dennoch hieß es für unsern Sechstagefahrer: Schwitzen und dünner werden!
So
zog
er
6
bis
8
Trikots
übereinander,
stülpte
eine
weiße
Rodelmütze
über
Kopf
und
Hals,
aus
der
nur
noch
ein
winziger
Teil
des
Gesichts
rot
und
schnaufend
hervorsah.
So
umkreisten
wir
im
Dunklen
ungezählte
Male
die
Rennbahn,
ohne
uns
gegenseitig
sehen
zu
können;
nur
nach
6
bis
8
Runden
ertönte
dann
regelmäßig
hinter
mir
ein
ruckweises
Surren,
und
pustend
huschte
etwas
Weißes
an
mir
vorüber,
um
wieder
im
Dunkel
zu
verschwinden.
–
Nachdem
wir
so
wochenlang
abwechselnd
auf
der
Bahn
und
Sonntags
auf
der
Straße
trainiert
hatten,
war
Freund
Schürmann
in
Form
und
packte
mit
der
größten
Zuversicht
drei
Rennmaschinen ein, um nach Berlin abzudampfen.
Wie
eine
wohltuende
Unterbrechung
traten
die
Ferien
und
das
Weihnachtsfest
dazwischen,
und
dann
war
der
Abend
des
3.
Feiertages
gekommen.
Herr
Knorr,
die
Direktion
des
Sechstagerennens,
hat
sich
der
Presse
gegenüber
bekanntlich
zuerst
nicht
so
entgegenkommend
erwiesen
als
man
erwartet
hatte,
und
so
kam
es,
daß
ich
vom
heimatlichen
Tannenbaum
am
Ostseestrande
erst
Abschied
nehmen
konnte,
als
der
Startschuß
in
Berlin
schon
durch
die
Halle
dröhnte.
Während
mich
der
Zug
–
viel
zu
langsam
–
dem
großen
Schauplatz
zuführte,
umkreisten
die
Fahrer
schon
mehrere
Stunden
lang
die
Bahn
und
ich
konnte
nicht
zugegen
sein!
–
Um
6
Uhr
morgens
stand
ich
nach
schlaflosen
Nacht
an
der
Pforte
des
Velodroms,
als
das
Rennen
schon
8
Stunden
im
Gange
war.
In
meiner
Ungeduld
fragte
ich
schon
draußen
den
Billeteur
nach
dem
Stande
des
Rennens,
ob
noch
alle
Paare
beisammen
lagen,
denn
dann
hatte
ich
noch
nichts
versäumt.
„Zusammen
liegen
sie
wohl
noch
alle;
aber
einer,
Schürmann
heißt
er,
der
ist
schwer
gestürzt
und
hat
sich
was
gebrochen...
Ja,
was
ist
Ihnen
denn?“
Krampfhaft
mußte
ich
mich
am
Gitter
festhalten,
mit
war’s,
als
hätte
ich
einen
Stoß
vor
die
Brust
bekommen.
Ohne
eine
Blick
auf
die
Fahrer
zu
werfen,
stürmte
ich
an
der
Bahn
vorbei,
vorbei
an
den
zahllosen
„Eintritt
verboten“
und
stand
in
der
Kabine
an
seinem
Schmerzenslager.
Nun,
es
war
nur
ein
Schlüsselbeinbruch,
der
in
21
Tagen
wieder
zusammenheilt.
Aber
falsch
eingerenkt
hatte
man
ihm
die
Schulter
und
über
die
schief
gelagerten
Bruchenden
einen
eisenfesten
Verband
geschnürt.
So
brachten
wir
ihn
zum
Arzt.
Das
Auto
fuhr
so
langsam
als
möglich,
aber
trotz
der
weichen
Gummiräder
zuckte
er
bei
jedem
leisen
Stoß
schmerzhaft
zusammen.
Im
Lichte
der
Röntgenstrahlen
sahen wir nun deutlich, wie die beiden Enden des Knochens aneinander vorbeiragten und eine neue Einrenkung nötig machten...